Das mit den Vornamenstatistiken ist in Deutschland ziemlich kompliziert und ich bin auch ein bisschen Schuld daran.
Vor 1977 war die Vornamen-Welt noch völlig in Ordnung, es gab nämlich überhaupt keine Auswertung von Deutschlands beliebtesten Babynamen. Seit 1977 veröffentlicht die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) jedes Jahr so eine Rangliste, hier die jüngste Auswertung für den Geburtsjahrgang 2015:
Mädchen | Jungen |
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Kompliziert ist es seit Anfang 2007, als meine eigene Auswertung der in Deutschland am häufigsten vergebenen Vornamen erstmals ein großes Medienecho erzeugte. Seitdem steht die berechtigte Frage im Raum, warum ich andere Vornamenhits ermittle als die GfdS. Die plausible Antwort: Es liegen verschiedene Auswertungsmethoden zugrunde. Während ich für meine Vornamenhitliste nur den ersten Vornamen der Neugeborenen zähle, berücksichtigt die GfdS alle Vornamen. Ein Baby mit nur einem Vornamen gelangt einmal in die GfdS-Auswertung, ein Baby mit fünf Vornamen fünfmal.
Diese Einsicht sorgte für Unzufriedenheit bei den Sprachwissenschaftlern der GfdS, denn es wurde unverhofft die Legitimität ihrer Arbeit diskutiert. Nicht nur Wissenschaftler stellten in Frage, ob die Herangehensweise des Vereins klug sei. Als Konsequenz soll den GfdS-Mitarbeitern angeblich sogar der Umgang mit mir verboten worden sein (inzwischen gilt diese Anweisung nicht mehr). Im April 2012 erschien in der GfdS-Hauszeitschrift „Der Sprachdienst“ ein absurder Artikel mit einer Geringschätzung meiner Auswertung. Der Verfasser schämt sich vermutlich heute noch für seine lächerliche Behauptung, dass nicht festgelegt sei, was ein Erstname überhaupt ist.

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Ich komme gut damit zurecht, dass es in Deutschland zwei anerkannte Vornamenhitlisten gibt. Die GfdS möchte wohl als Herausgeber der einzig wahren Vornamenstatistik gelten und weil das Schlechtmachen des Rivalen nichts gebracht hat geht sie jetzt den lobenswerten Weg des Gutmachens des eigenen Werks. Das gelingt vor allem durch die Ausweitung der Datenbasis: Die 1977er Auswertung basierte auf einer kleinen Stichprobe von einzelnen Standesämtern; für die 2015er Auswertung standen Informationen von 650 Standesämtern zur Verfügung, was über 90 Prozent der vergebenen Vornamen ausmacht. Für meine Vornamenhitliste habe ich 512 verschiedene Quellen ausgewertet und konnte so die Vornamen von 26 Prozent aller in Deutschland geborenen Babys berücksichtigen.
Der neueste Streich der GfdS ist eine Überraschung; die Sprachwissenschaftler haben meine Methode kopiert und ihre eigene Erstnamenstatistik produziert. Zum Vergleich habe ich deren und meine Ergebnisse gegenübergestellt:
Mädchennamen 2015
GfdS | Knud Bielefeld |
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Jungennamen 2015
GfdS | Knud Bielefeld |
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Die Übereinstimmung bei den Mädchennamen finde ich beeindruckend. Ich hatte mit einer ähnlichen Abweichung wie bei den Jungennamen gerechnet, weil der Verein für seine Erstnamenstatistik keineswegs auf den oben erwähnten Datenbestand von 90 Prozent aller Vornamen zurückgegriffen hat, sondern auf eine viel kleinere Stichprobe. Die genaue Größe dieser Stichprobe wurde nicht veröffentlicht, was ich als Hinweis deute, dass sie signifikant kleiner ist als meine Stichprobe – andernfalls hätte die GfdS diesen Trumpf ausgespielt!
- Ausführliche Auswertung der GfdS: Die beliebtesten Vornamen 2015
- Beliebte-Vornamen.de als wissenschaftliche Quelle
- Hintergrundinfos über Vornamenstatistiken in Deutschland
- Meine Top 500-Hitliste der beliebtesten Vornamen des Jahres 2015